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Quelle: Bundesbildstelle

Angela Dorothea Merkel

1954, Bundeskanzlerin außer Dienst

Mit Contenance durch die Krisen

»Sie kennen mich.« Es war ein raffinierter Schachzug von Angela Merkel, auf diesen Slogan im Bundestagswahlkampf 2013 zu setzen. Die Botschaft kam an. Die Wähler:innen wollten keine Experimente. Acht Jahre Kanzlerschaft lagen da schon hinter ihr, acht weitere Jahre sollte sie Deutschland noch regieren. Als 2021 die Ära Merkel zu Ende ging, hatte die Politikerin 18 Jahre an der Spitze der CDU gestanden, 31 Jahre lang als Abgeordnete dem Bundestag angehört und 16 Jahre den Kurs der deutschen Politik bestimmt.

Jeder hat seine Art, zurückzuschlagen. Schweigen kann’s auch mal sein.

(2009 bei Anne Will)

Biografie

1954
Geburt am 17. Juli als Tochter des evangelischen Theologen Horst Kasner und seiner Frau Herlind in Hamburg. Übersiedlung der Familie in die DDR, zunächst nach Quitzow/Perleberg, 1957 nach Templin.
1961
Einschulung an der Polytechnischen Oberschule Templin.
1973
Abitur mit der Note 1,0.
1977
Heirat des Studienfreundes Ulrich Merkel.
1978
Studienabschluss im Fach Physik an der Universität Leipzig. Umzug nach Ost-Berlin. Tätigkeit am Zentralinstitut für Physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Adlershof.
1982
Scheidung von Ulrich Merkel.
1986
Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften.
1989
Beginn der Tätigkeit für den „Demokratischen Aufbruch“.
1990
Eintritt in die CDU. Stellvertretende Regierungssprecherin der DDR-Regierung de Maizière. Wahl in den Bundestag, dem sie bis 2021 angehört.
1991
Bundesministerin für Frauen und Jugend bis 1994.
1994
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bis 1998.
1998
Generalsekretärin der CDU Deutschland bis 2000. Heirat des Quantenchemikers Joachim Sauer am 30. Dezember. Das Paar kennt sich seit 1984.
2000
Vorsitzende der CDU bis 2018.
2005
Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland bis 2021.

Angela-Merkel 1990 im Bundestagswahlkampf auf Ruegen Foto: Ullstein

Raketenstart im Wahlkreis

Gestartet hatte Angela Merkel ihre politische Karriere einst im Bundestagswahlkreis Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald, und zwar in atemberaubendem Tempo: 1990, sie war gerade in die CDU eingetreten, wurde sie erstmals in den Bundestag gewählt. Ein Jahr später bereits war sie Vize-Chefin der CDU und Bundesministerin für Frauen und Jugend. 2005 zog sie als erste Frau in der deutschen Geschichte ins Kanzleramt ein. Als sie 2021 für eine weitere Kandidatur nicht mehr zur Verfügung stand, hatte sie sich länger in dieser Position gehalten als jede:r ihrer Amtskolleg:innen der westlichen Welt. Und anders als alle Bundeskanzler vor ihr hat Angela Merkel ihre Karriere aus freien Stücken beendet.

Von Kohls »Mädchen« zur »Mutti« der Nation

Die Öffentlichkeit nahm die 1954 in Hamburg geborene und in der DDR aufgewachsene Pfarrerstochter im Verlauf ihrer politischen Laufbahn unterschiedlich wahr. Anfangs glaubte man, sie nicht ernst nehmen zu müssen. Sie wurde als Quotenfrau aus dem Osten belächelt und schlicht unterschätzt. Doch schnell entledigte sie sich der ihr zugesprochenen naiven Rolle als Helmut Kohls »Mädchen«. Die promovierte Physikerin entwickelte sich zur Parteipolitikerin mit Machtinstinkt. Als »Mutti« der Nation bewies sie sich als effiziente und pragmatische Staatslenkerin. Schließlich wurde sie besonders in jenen Zeiten, in denen die Welt von einer Krise in die andere schlitterte, als Stabilitätsanker international wahrgenommen.

Ihre bunten Blazer, die flotte Föhnfrisur, ihr verbindlich-unverbindliches Lächeln und die bald weltberühmte Raute-Geste wurden zum Markenzeichen einer Politikerin an der Spitze des Staates, die erst einmal abwartete und prüfte bevor sie Entscheidungen traf. Sie wolle »dem Land dienen«, zitierte sie Friedrich den Großen. Hinter dieser Aufgabe verschwand der Mensch Merkel immer mehr. Diese »Frau ohne Eigenschaften«, so nennt sie Ursula Weidenfeld in ihrer Biografie, eignete sich bestens als Projektionsfläche für Bewunderung ebenso wie für Hass.

Grafik: Roman Wimmers über pixabay
Quelle: Bundesbildstelle

Stabilität oder Stagnation?

Denn Merkels Politik war und ist umstritten: Die einen lobten ihren Pragmatismus, die anderen vermissten visionäre Ziele. Was die einen in ihrer Regierungszeit als Stabilität und Sicherheit begrüßten, kritisierten die anderen als Stagnation. Viele bewunderten die Contenance der Krisenkanzlerin, etliche interpretierten ihre stoische Ruhe als Phlegma. Wenn die einen ihr Handeln insbesondere in der Euro-Krise, bei der Energiewende und in der Flüchtlingskrise als souverän lobten, war es für die anderen plan- und kopflos. Tatsächlich markiert die Flüchtlingskrise 2015/16 – »Wir schaffen das!« – eine einschneidende Zäsur in ihrer Kanzlerschaft. Von »Merkel-Dämmerung« war jetzt die Rede. Eine Partei rechts der CDU stieg auf. Die parteipolitische Landschaft formte sich neu.

Wer so lange im Rampenlicht unter Druck steht, braucht eine robuste Gesundheit, gute Nerven, einen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Stärken und manchmal auch private wie politische Rückzugsorte. Einer von ihnen war ihr Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern, in dem sie seit 1990 regelmäßig das Direktmandat erringen konnte. Sie nannte ihn »politische Heimat«. »Wir waren so etwas wie eine Familie für sie«, bestätigt Andrea Köster, Parteifreundin und frühere Bürgermeisterin der Rügen-Hauptstadt Bergen.

In der Auswahl des Wahlkreises hatte Angela Merkel bereits ihr Geschick gezeigt. Sie hatte sich im Sommer 1990 nach einer Region umgesehen, in der sie bei der ersten Bundestagswahl im wiedervereinigten Deutschland ein Direktmandat erlangen könnte. Durch die Vermittlung des CDU-Landesvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern, Günther Krause (* 1953), trat sie im damaligen Bundestagswahlkreis Stralsund-Rügen-Grimmen an – und gewann.

Mit George W. Bush an der Küste

Andrea Köster kennt sie seit ihrer Nominierung zur Wahl, über drei Jahrzehnte hat sie Merkels Besuche im Wahlkreis begleitet. »Sie war nicht nur hier, um zu winken«, sagt sie, sondern habe viele Projekte initiiert und unterstützt – etwa den Bau des Ostseeautobahnzubringers und die Rügenbrücke. Auch Staatsgäste wurden hin und wieder an die baltische Küste mitgebracht: der ehemalige US-Präsident George W. Bush etwa, das norwegische Kronprinzenpaar oder der frühere französische Staatspräsident François Hollande. »Es war mir immer eine Ehre«, betonte Angela Merkel im September 2021, als sie ihrem Wahlkreis »Arrivederci« sagte, noch einmal viele Hände schüttelte und in Handykameras lächelte. Dabei wirkte sie fast erleichtert.

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