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Quelle: Österreichische Nationalbibliothek

Emilie Mayer

1812–1883, Komponistin

Dienerin ihrer musikalischen Begabung

Musik war für die Apothekertochter aus dem mecklenburgischen Friedland Beruf und Berufung. Ihr gesamtes Leben widmete sie dem Komponieren, Publizieren und Aufführen ihrer eigenen Werke. Dank ihres Talents, aber auch ihres Einsatzes von Energie und eigenem Vermögen wurde Emilie Mayer zu Lebzeiten berühmt, nach ihrem Tod aber schnell vergessen. Heute hat man sie als eine der bedeutendsten Komponistinnen des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt.

»Emilie Mayer, Componistin« ließ die 38-Jährige an das Klingelschild ihrer Berliner Wohnung anbringen. Das war 1850. Da war »Demoiselle« Mayer bereits prominent. Ihre dritte Sinfonie war gerade im Königlichen Schauspielhaus aufgeführt worden. Die Kritiken waren gönnerhaft, wohlwollend, manche sogar begeistert. »Ein solches Concertprogramm, ganz von weiblicher Hand ins Leben gerufen, ist, nach unserer Erfahrung und Kenntnis wenigstens, bis jetzt ein unicum in der musikalischen Weltgeschichte«, schrieb die Vossische Zeitung. 

Friedland war nicht der Ort, um in der Tonwissenschaft sich zu vervollkommnen.

Biografie

1812
Emilie Mayer wird am 14. Mai in Friedland/Mecklenburg als viertes Kind des Apothekers August Friedrich Mayer und seiner Frau Henrietta Carolina Louisa geboren.
1814
Tod der Mutter
1817
Klavierunterricht durch den Organisten Carl Driver; erste kleine Kompositionen
1840
Freitod des Vaters
1841
Umzug nach Stettin; Unterricht bei Carl Löwe
1847
Wechsel nach Berlin; weiterer Unterricht; Komposition von Kammermusik und Sinfonien; Konzertreisen nach Wien, Halle, Hamburg, Pasewalk und Stettin; Empfang in der Wiener Hofburg bei Erzherzogin Sophie von Österreich
1862
Rückkehr nach Stettin; weitere Kompositionen
1876
Wechsel erneut nach Berlin
1883
Emilie Mayer stirbt am 10. April an einer Lungenentzündung. Eines ihrer letzten Werke, Notturno op. 48, wird posthum veröffentlicht.
2021
Ihre Berliner Grabstätte wird wieder entdeckt und ist seither ein Ehrengrab des Landes Berlin.

Berufstätig, ledig, talentiert

Eine berufstätige Frau, ledig, zwar nicht mit Kindern, dafür aber mit musikalischem Talent gesegnet – das war zu Emilies Zeiten in der Tat ein Unikum. Ebenso ungewöhnlich war ihre Berufswahl. »Das Weib gebiert Menschen, der Mann das Kunstwerk« hatte der Philosoph Friedrich Wilhelm Schlegel (1772–1829) die damalige Auffassung zum Ausdruck gebracht. Wenn Frauen komponieren wollen, dann höchstens kleine gefällige Stücke. Wenn sie sich schon einem Publikum präsentieren, dann bitteschön mit den Werken von Männern. Es war die Zeit des Biedermeier. Konservativer Mief lag über den deutschen Ländern und hatte den frischen Wind des Aufbruchs erstickt.

Musik wird zum Lebensgefährten

Doch Emilie scherte sich nicht um gesellschaftliche Konventionen. Sie war sich schon früh ihrer Begabung bewusst. Ihre Ambitionen nährten sich nicht aus Eitelkeit, sondern aus einem protestantischen Pflichtgefühl ihrem Talent zu dienen. Musik, das war ihr „Lebensgefährte“, schrieb die Schriftstellerin Elisabeth Sangalli-Marr 1877 über ihre Zeitgenossin. Alles andere war dem untergeordnet. Am Ende ihres Lebens hinterließ sie ein beachtliches Œuvre: Fünfzehn Ouvertüren, ein Klavierkonzert, Lieder, zehn Streichquartette, zehn Klaviertrios, Violin- und Violincellosonaten und darüber hinaus, wohl als einzige Komponistin ihrer Zeit, acht Symphonien. »Frl. E. Mayer ist eine seltene Erscheinung…«, schrieb die Neue Berliner Musikzeitung 1878, »… hier zeigt uns ein weiblicher Componist, der nicht blos für das Pianoforte schreibt, sondern auch die schwierige, von tausenden Geheimnissen wimmelnde Aufgabe der Orchestercomposition löst – und wie löst!«

Emilie Louise Friederika wurde am 14. Mai 1812 als viertes Kind des Apothekers Johann August Mayer und seiner zweiten Frau Henrietta geboren. Der Tod der Mutter zwei Jahre darauf und der spätere Freitod des Vaters musste die Geschwister wohl zusammengeschweißt haben, denn ein Leben lang fühlten sie sich einander verbunden. Emilie erhielt seit ihrem fünften Lebensjahr Klavierunterricht. Ihren Lehrer beeindruckte sie bald mit ersten kleinen Kompositionen. Dem Vater führte sie offenbar später den Haushalt. Als der 1840 freiwillig aus dem Leben schied – genau 26 Jahre nach dem Tod seiner Frau – entschloss sich die verwaiste Tochter zum Umzug nach Stettin. Sie war 28 Jahre alt, dank des väterlichen Erbes unabhängig und nicht bereit, ihr Talent zu vergeuden. »Friedland war nicht der Ort, um in der Tonwissenschaft sich zu vervollkommnen«, schrieb sie später.

Geburtshaus Apotheke in Friedland (Quelle: Museum Friedland)

Ausbruch aus der Provinz

Sechs Jahre lang ließ sie sich in der prosperierenden Pommernhauptstadt von Carl Loewe (1796–1869) unterrichten. Der schon damals bekannte Komponist und Organist wurde ihr wichtigster Förderer. 1847 empfahl er seine begabte Schülerin an den Berliner Musikwissenschaftler Prof. Adolph Bernhard Marx und den Komponisten Wilhelm Wieprecht weiter. In der Berliner Zeit entstanden zahlreiche Werke, zudem erlangte Emilie auf Konzertreisen in vielen europäischen Städten wie Stettin, Berlin, Brüssel, Wien, Prag, Köln oder München Bekanntheit. In ihrer Musik finden sich Anklänge der Wiener Klassik, später auch der Romantik. Unermüdlich kämpfte sie darum, dass ihre Kompositionen aufgeführt wurden. Doch das hatte seinen Preis.
Für ihre eigenen Uraufführungen musste sie die Musiker oft aus eigener Tasche bezahlen.

Quelle: Österreichische Nationalbibliothek

Eine unkonventionelle Person

Vielleicht aus Gründen der Sparsamkeit kehrte Emilie 1862 Berlin den Rücken und quartierte sich bei einem Bruder in Stettin ein. Unermüdlich komponierte sie und bemühte sich weiter um die Aufführung ihrer Werke. Sie war bekannt als unkonventionelle Persönlichkeit, die auf Festen mitunter ohne Hut erschien. Auch pflegte sie Brille und Regenschirm wegen ihrer Vergesslichkeit an ihrer Kleidung zu befestigen. »Neben mir stand steif, als hätte sie ein Lineal verschluckt, eine unscheinbare, männlich aussehende Frauengestalt. Aus einem durch die hohe Stirn ungewöhnlich lang und schmal erscheinenden Gesicht … schauten mich sprechende blaue Augen … an … Es war kein Zweifel, sie war‘s, die große Künstlerin, die berühmte Tante Emilie Mayer.« So schilderte die Schriftstellerin und Freundin von Emilies Nichte Marie Silling (1845–1936) eine zufällige Begegnung mit der prominenten Komponistin.

Ab 1876 lebte Emilie wieder in Berlin. Hier schuf sie noch einmal ein großes Orchesterwerk, die »Ouverture zu Faust op. 46«. Eine ihrer letzten Kompositionen, das »Notturno op. 48«, widmete sie dem bedeutendsten Violinisten der Zeit, Joseph Joachim (1831–1907).

Emilie starb am 10. April 1883 im Alter von 70 Jahren an einer Lungenentzündung. Sie wurde auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof beigesetzt. Vor wenigen Jahren wurde ihr Grab wiederentdeckt und mit einem Gedenkstein markiert. Seit 2021 ist es ein Ehrengrab des Landes Berlin.

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